Ein Herz für Jogginghosen – Manuel Schumann

… Punkt!

Das Abscheulichste, das die deutsche Sprache momentan zu bieten hat… und was wir dagegen tun können

Folge 35: … Punkt!

Ist es Ihnen auch schon mal so ergangen, dass Sie jemandem zuhören mussten, der irgendeinen Schwachsinn dahergeredet hat und seinen Satz dann mit einem markigen „… Punkt!“ beendet hat. Nein? Dann haben Sie noch einmal Glück gehabt. Nicht alle sind so glimpflich davongekommen.

Ich hasse „… Punkt!“.

Ich weiß nicht, ob es irgendeinen Rhetorik-Ratgeber gibt, in dem sich folgende Passage findet:

Wenn Sie merken, dass Sie keine – wirklich gar keine – Argumente auf Ihrer Seite haben, dann, ja, genau dann, beenden Sie ihren Satz mit einem markigen „… Punkt!“. Damit lassen Sie keinen Widerspruch zu, Ihre eigene Dummbeutel-Aussage wird als unumstößlich wahr markiert. Probieren Sie es doch einmal aus!

Gerade weil wir ja keine Punkt-Sager sind, sollten wir noch zwischen zwei Formen dieses niederträchtigen rhetorischen Kniffs unterscheiden. Nämlich zwischen dem geplanten und dem ungeplanten „… Punkt!“.

Mir exklusiv vorliegende Studien haben nachgewiesen, was im Gehirn des Ungeplanten-Punkt-Sagers in den Sekundenbruchteilen zwischen Beendigung des Satzes und des „… Punkt!“ vor sich geht. Versprachlicht sieht das folgendermaßen aus: „O je, was ich da gerade gesagt habe, war absoluter Quatsch und ich habe weder Beleg noch Begründung dafür. Hoffentlich fällt das niemandem auf. Ich muss irgendwas tun, um ja keinen Widerspruch zu ernten.“

Das ist ja irgendwie noch sympathisch, ist es doch eine Verschleierung der eigenen Unsicherheit. Genau das ist der Unterschied zum Geplanten-Punkt-Sager. Denn das sind die wahren Arschgeigen. Was bei diesen Leuten im Gehirn vor sich geht, ist noch nicht genau erforscht, aber ich vermute mal: Nicht viel. Sie halten das, was sie sagen, tatsächlich für eine absolute Bereicherung für ihr Umfeld. Sie erwarten als Reaktion mindestens ein „Endlich sagt’s mal jemand!“ (siehe Folge 9), der „… Punkt!“ fungiert hier sozusagen als Mittel zur Unterstützung der Applausheischerei. Und wenn wider Erwarten keine Reaktion erfolgt, wiederholen sie gerne dasselbe noch einmal in leicht verändertem Wortlaut. Dann reagieren die anderen Leute mit einem halbgaren „Ja“ oder „Hmhm“ oder „Stimmt schon“ und versuchen das Thema zu wechseln, um einer Konfrontation aus dem Weg zu gehen bzw. um nicht noch mehr ätzende Stammtischparolen zu hören.

[Wenn ich mir dieses Szenario vorstelle, kann ich nicht anders, als an die Fußball-Talkshow „Doppelpass“ zu denken. Ich habe es natürlich nicht empirisch geprüft, aber die „Punkt!“-Frequenz dürfte hier sehr hoch sein. Aber auch in anderen gesellschaftlichen Bereichen ist die Punkt-Sagerei ein echtes Problem.]

Gelegentlich wird der „… Punkt!“ allerdings nicht nur für krudes Gedankengut und anderen „Klartext“ verwendet, sondern auch, um Sachverhalte als umstritten darzustellen, die es in Wahrheit gar nicht sind. Ob das Sinn ergibt? Natürlich nicht. Aber man kann sich halt so schön profilieren.

„Zwei mal zwei ist vier… Punkt!“

„Ich hätte gerne ein Ciabatta-Brot und eine Mohnsemmel… Punkt!“

„Es regnet… Punkt!“

Ehrlich gesagt: Irgendwie bewundere ich auch das grenzenlose Selbstvertrauen der Punkt-Sager… Obwohl, nein, eigentlich nicht, und falls Sie es tun, dann hören Sie bitte auf damit. Nichts an diesem Verhalten ist auch nur im Geringsten bewundernswert.

Aber ich möchte mir nicht nachsagen lassen, hier nur rumzumeckern, sondern auch konstruktiv sein. Was können wir also dagegen tun?

Vermutlich nicht viel. Aber es gibt Hoffnung. Natürlich kann man auf die Historie verweisen: Interpunktionszeichen wurden ursprünglich erfunden, um Sätze rhetorisch zu strukturieren. Da vor ein paar Jahrhunderten noch fast ausschließlich laut gelesen wurde, waren Interpunktionszeichen dazu da, um Pausen beim Vorlesen zu markieren.

Leider aber sind zumindest Geplante-Punkt-Sager aller Wahrscheinlichkeit nach zu doof, um das zu verstehen, Sie können aber, um das zu verdeutlichen, ab sofort einfach alle Interpunktionszeichen mitsprechen. Beispielsweise können Sie einem Punkt-Sager Folgendes entgegnen:

Habe ich das gerade richtig gehört Fragezeichen Hast du am Ende deines Satzes Anführungszeichen unten Punkt Anführungszeichen oben gesagt Fragezeichen Wow Komma du bist wirklich nicht nur zurückgeblieben Komma sondern ein absoluter Vollidiot Pünktchen Pünktchen Pünktchen endlich sagt Apostroph s mal jemand Ausrufezeichen Semikolon Bindestrich Klammer zu

Ich kann natürlich für nichts garantieren, aber möglicherweise werden sie diese subversive Kritik verstehen.

Noch eleganter wäre nur eine andere, jedoch anspruchsvollere Methode: Sie müssen antizipieren, wann genau der „Punkt!“ kommt, und dann ihren eigenen Redebeitrag direkt ohne Pause anfügen: „…, Punkt, Komma, Strich, fertig ist das Mondgesicht!“

Ich möchte mich ja nicht selbst loben und tue das auch ganz selten, aber mit diesen Tricks können Sie jedem Punkt-Sager ein Fragezeichen ins Gesicht zaubern… Unter Umständen könnten Sie sich dadurch auch verbale oder körperliche Gewalt einhandeln, aber ein bisschen müssen Sie schon opfern für die gute Sache!

Alleine können wir nicht viel ausrichten, aber gemeinsam, ja, gemeinsam können wir es schaffen! Ausrufezeichen!


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